Zwischen Meerblick und Zäunen , Villen und Slums
Am 10. September sind wir in Kapstadt gelandet. Dort standen wir in einer ewig langen Schlange bei der Passkontrolle, ca. zwei Stunden lang, bis wir durch waren. Offenbar waren mehrere große Flieger gleichzeitig angekommen.
Anschließend wollten wir uns in Ruhe ein Taxi bestellen, wurden aber gefühlt tausend Mal gefragt, ob wir eins brauchen. Zum Glück hatten wir die Uber-App, die Fahrdienste zu einem sehr günstigen Preis anbietet, schon aktiviert. Der Fahrer war freundlich und brachte uns sicher zu unserem Apartment.
Ankommen mit Aussicht
Unsere Unterkunft lag am Ocean View Drive und hieß auch so – tatsächlich mit Ocean View. Vom Balkon aus sah man das Stadion, dass für die WM 2010 eine wichtige Rolle spielte und sogar die Meeresküste. Der Stadtteil „Green Point“ gilt als sicher, und das merkten wir auch: Drei gesicherte Tore mussten wir öffnen, um überhaupt ins Apartment zu kommen.
Das Appartement war mit allem Nötigen eingerichtet – sogar ein paar Kleinigkeiten von der Vermieterin wie Müsli, Milch und Kaffee standen bereit. Nur der modrige Geruch störte. Trotzdem: Für den Preis und die Lage war es absolut okay.
Spaziergang zwischen Stacheldraht und Sonne
Am ersten Tag sind wir einfach Richtung Meeresküste losgelaufen. Schon nach wenigen Minuten fiel auf: Jedes Haus ist hier wie eine Festung. Hohe Mauern, Elektrozäune, Warnschilder. Offenbar gibt es Nachbarschaftsinitiativen, die regelmäßig Patrouille fahren.
Anna: „Ich habe mich gefragt, wie es ist, so zu leben – immer hinter Mauern, immer auf den Stacheldraht schauen zu müssen“.
Die Promenade wirkte auf uns nicht besonders einladend, überall dieser beißende Geruch nach Urin. An vielen Stellen sah man obdachlose Menschen, von denen einige offensichtlich Drogen konsumierten und die am Strand oder auf der Straße schliefen. Das war schwer auszuhalten.
Die Waterfront – eine andere Welt
Nach etwa vier Kilometern änderte sich alles: Plötzlich war alles sauber, gepflegt, fast wie eine andere Welt. Die V&A Waterfront. Riesenrad, Restaurants, Musik, Bars, Kunsthandwerk, Touristen, Wohlstand. Eine heile Welt???
Wir aßen Tapas, Berthold ein richtig gutes Filetsteak –bezahlbar und köstlich. Die Victoria & Alfred Waterfront (benannt nach einem früheren englischen Königspaar) ist wunderschön angelegt.
Am Nachmittag sahen wir in der Nähe des Aquariums Robben, die sich auf einer Plattform sonnten. Ganz in der Nähe liegt auch der Farmers Market – samstags und sonntags geöffnet – ein echtes Highlight! Kulinarisch, visuell, menschlich.
Tafelberg – nah an den Wolken
Natürlich durfte der Tafelberg nicht fehlen. Sobald die Sonne schien und das Grau in Grau vergessen ließ, buchten wir online die Tickets für die Seilbahn, die uns nach oben bringen sollte. Wir wurden von einer superlangen Warteschlange begrüßt und mussten drei Stunden warten, bis wir in die Gondel konnten. Oben angekommen war alles vergessen.
Diese Weite, das Licht, die Heidelandschaft, der Blick – atemberaubend. Die vielen Menschen verteilten sich gut. Wenn Nebel oder Wolken aufziehen, wirkt es dort fast märchenhaft.
Musik, Menschen und Begegnungen
Abends landeten wir auf einer Partystraße (Longstreet). Die Stimmung war in vielen Internetbeiträgen als großartig beschrieben. Das konnten wir so nicht feststellen. Es war eher trist, die laute Musik aus den Bars konnten die Leere nicht übertönen.
Nach einigem Hin- und Her gingen wir ins „Mama Africa“, wo wir uns an die Theke setzten. Die Band war erstaunlich gut und hatte eine tolle Ausstrahlung! Es gelang ihr aus den einzelnen Besuchergruppen ein fröhliches Publikum zu formen.Die Menschen kamen vor allem aus afrikanischen Ländern wie Botswana, Simbabwe, Kenia, aber auch den USA, Australien, Großbritannien. Wir kamen mit einigen Gästen und Musikern ins Gespräch.
Ein Musiker erzählte uns später leise, dass er eigentlich aus Simbabwe stammt, das aber nicht öffentlich sagen wollte, weil Simbabwer in Südafrika oft diskriminiert werden. Das hat uns sehr berührt.
Gegensätze, die weh tun
Ein paar Tage später fuhren wir Richtung Westen – Clifton Beach und Camps Bay. Eine traumhafte Strecke. Von Clifton nach Camps Bay liefen wir einige Kilometer an der Promenade entlang und hatten eine tolle Aussicht! Dann fielen uns auch die teuren Autos, Designerbars, gigantische Villen auf, die von offensichtlich wohlhabenden Weißen genutzt wurden. Der Strand wurde von sehr unterschiedlichen Menschengruppen besucht, aber in den Restaurants und Bars hielten sich fast nur Weiße auf.
Das Bild von Capetown liefert Gegensätze. Hier Villen, so teuer wie nirgendwo sonst in Afrika, reihenweise Automarken wie Lamborghini und Porsche, Bars, in denen nur Weiße feiern. Auf der anderen Seite, wenn man zum Flughafen fährt, Slums, in denen Migranten leben, die versuchen, irgendwie Fuß zu fassen oder auch vielleicht aufgegeben haben. Insbesondere an den Ampelkreuzungen bettelnde Menschen, die sich nicht anders zu helfen wissen.
Diese Diskrepanz war schwer zu übersehen. Trotzdem – wir fühlten uns sicher und hatten eine gute Zeit, allerdings mit einem bitteren Beigeschmack.
Ein Zuhause auf Zeit: Suzie und Willy
Zum Abschluss unserer Reise haben wir noch bei Suzie und Willy in der Nähe des Flughafens übernachtet. Zwei wunderbare Menschen über 70, die sich ihren Traum erfüllt haben und seit einigen Jahren ein kleines Guesthouse mit Restaurant führen.
Am Abend erzählten sie offen von der Apartheid – wie es damals war und wie viel sich seitdem verändert hat. In ihrem Restaurant hängt heute noch ein altes Schild: „Slegs Blankes“ (Whites Only). Sie haben es umgedreht und daneben eine Regenbogenfahne aufgehängt, als Zeichen dafür, dass heute jeder bei ihnen willkommen ist. Das fanden wir unglaublich berührend.
Willy sagte, Südafrika sei auf einem langen Weg der Normalisierung. Es gibt Fortschritte, aber nicht so schnell, wie man es sich wünschen würde. Manche Maßnahmen – wie Quoten an Universitäten – funktionieren nicht wie geplant, weil viele Jugendliche gar nicht die Voraussetzungen haben, erfolgreich einen Abschluss zu machen. Man müsste viel früher ansetzen. Trotzdem würde sich etwas bewegen.
Unser Fazit
Kapstadt ist widersprüchlich:
- Eine schöne Natur, besonders die Strände und der Tafelberg
- Architektonisch ansprechende Häuser, aber mit Elektrozäunen gesichert
- ein tolles gastronomisches Angebot mit einem für Europäer günstigem Preisniveau
- tolle Bars, in denen aber fast nur Weiße sind
- Vermüllte Slums, die ein menschenwürdiges Leben ausschließen
- Obdachlose und drogensüchtige Menschen in den Straßen
- sichtbare und fühlbare Armut und Perspektivlosigkeit
Kapstadt – schön und schwer zugleich
Kapstadt ist eine Stadt voller Gegensätze – bunt, lebendig, laut, herzlich, manchmal bedrückend. Es gibt unendlich viel zu entdecken: Streetfood, Märkte, Musik, Kunst.
Die Menschen sind freundlich, und wenn man ihnen offen begegnet, bekommt man ehrliche Herzlichkeit zurück.
Anna: Ich muss aber ehrlich sagen: Mich hat die Ungerechtigkeit hart getroffen. Ich war richtig niedergeschlagen, fast depressiv. Diese Mischung aus Schönheit und Elend war schwer zu ertragen.
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